Lange Zeit war die Ehe keine Selbstverständlichkeit, sondern ein Privileg und nicht jedem möglich. Die finanzielle Situation der Heiratswilligen musste die Ernährung einer zukünftigen Familie ermöglichen – das schloss z.B. Mägde, Knechte, Hausbedienstete oder Tagelöhner von der Eheschließung aus. So galt die Ehe primär als Zweckgemeinschaft zur materiellen Versorgung und Absicherung. Erst zum Beginn des 20. Jahrhunderts konnte fast jede(r) der/die wollte auch heiraten. Obwohl die Partnerwahl nach wie vor stark vom materiellen Besitz und Prestige des zukünftigen Ehepartners abhängig war, setzte sich doch die romantische Vorstellung einer Liebesheirat mehr und mehr durch.
Die Hochzeit markierte den formalen Beginn der Ehe. Die Braut trug zu diesem Anlass ein besonderes Brautkleid. Häufig war dieses schwarz und wurde auch nach der Hochzeit für feierliche Anlässe getragen (Sonntags- oder Festtagskleid), denn für die meisten Leute war ein teures Kleid für nur einen Tag unerschwinglich.
Während sich in den Städten bereits gegen Ende des 19. Jahrhunderts das weiße Hochzeitskleid durchsetzte, trugen die Frauen in ländlichen Regionen Tracht. Spätestens in den 1920er Jahren hatte sich das weiße Brautkleid weitgehend etabliert. Die Farbe Weiß stand für Reinheit, Unschuld und Jungfräulichkeit. Mussten sich die Frauen zuvor noch in ein enges Korsett zwängen, so waren in den 1920ern die Kleider locker und ohne extreme Taillenbetonung geschnitten (ein loser Gürtel oder eine Kordel deutete die Taille an). Die Modelinie war sachlich schlicht und gerade.
Die Braut trug einen weißen Schleier und einen Myrtekranz im hochgesteckten Haar. Auch der Bräutigam befestigte einen Myrtenzweig an seinem Revers. Die Zweige der Myrte sind wiederum ein Symbol für Liebe, Jungfräulichkeit, Reinheit, Lebenskraft und viele Kinder. (Nach der Hochzeit wurde ein Zweig zum Bewurzeln in die Erde gesteckt. Dies war ein Symbol für dauerhaftes Eheglück.)
Ein weiteres wichtiges Accessoire der Braut war natürlich der Brautstrauß. Die Eheringe als Zeichen von Treue und Bindung durften auch nicht fehlen. Ein Kruzifix an der Halskette, Ohrringe oder eine modische Handtasche galten als Statussymbole. Der Bräutigam trug einen Anzug, Frack (mit weißem Hemd, Fliege und Anstecktuch) oder Uniform. Beim ihm galten ein Gehstock oder eine Taschenuhr als Statussymbole.
Die Hochzeitsbilder wurden im Fotoatelier geschossen und zeigten das Brautpaar gewöhnlich mit strenger, ernster Miene. Die Berufsfotografen ließen Braut und Bräutigam noch die typischen Posen aus dem 19. Jahrhundert einnehmen. Man legte Wert auf Etikette und so gab es zwischen den Ehepartnern oft keine Berührung.
Es wurden Stühle und kleine Tischchen verwendet und im Hintergrund kamen Säulen, Vorhänge oder Teppiche zum Einsatz. Wie viele Fotografien im Atelier gemacht wurden, war eine Kostenfrage. Das Hochzeitsfoto wurde (wie auch der eingerahmte Brautkranz) als Erinnerungsstück aufgehängt oder aufgehoben. Weiters wurde ab dem 20. Jahrhundert eine Fotografie des Brautpaares an die Hochzeitsgäste geschickt, um sich für ihre Teilnahme und das Hochzeitsgeschenk zu bedanken.
Die tollen Fotografien, die wir heute präsentieren können, hat unser Verein von Herrn Herbert M. bekommen. Von ihm stammt auch die Information über das Datum der Hochzeit: 24. September 1923. Wir bedanken uns sehr herzlich!
Das junge, attraktive Brautpaar - es handelt sich um Heinrich und Elfriede M. - richtet den Blick direkt in die Kamera und nimmt eine klassische Pose ein; die Oberkörper sind leicht zueinander gedreht. Man erkennt dadurch viele Details der eleganten Kleidung, die typisch für die Mode der 1920er Jahre ist. Weiters sieht man am Finger des Bräutigams den Ehering, die Braut hält den Brautstrauß. Über dem langen Schleier aus Tüll wurde der Myrtekranz befestigt.
Im Hintergrund befindet sich ein Vorhang und rund um die Köpfe sowie in der linken unteren Ecke erkennt man, dass Bildbearbeitung keineswegs eine neue Erfindung ist.
Die Glasplattennegative haben unterschiedliche Formate (die größten weisen eine Abmessung von 18x24 cm auf), waren in schwarzem Tonpapier eingewickelt und in einem Karton aufbewahrt.
Bei den beiden Bildern oberhalb handelt es sich um Ausschnitte. Im Foto rechts kann man auch den Ehering der Braut erkennen, sowie die wunderschöne Halskette mit dem Kreuzanhänger.
Bei diesen beiden Fotografien befindet sich der Bräutigam schräg hinter der Braut und er nimmt eine wesentlich legerere Haltung ein als zuvor. Am linken Bild hat er eine Hand in der Hosentasche und am rechten Bild ist sie locker am Oberschenkel abgestützt. Sie hat ihre Hände und den Brautstrauß auf einem Tisch abgelegt. Dieser Bildaufbau wirkt entspannter und natürlicher als der erste. Insgesamt machen die beiden einen vertrauten, sympathischen Eindruck.
Quellen:
Fabian Brand: Kirchliche Zeremonie, weltliche Feier: Hochzeitsbrauchtum im Wandel; unter: https://www.katholisch.de/artikel/25688-kirchliche-zeremonie-weltliche-feier-hochzeitsbrauchtum-im-wandel (abgerufen am 10.02.2021)
Das Brautkleid, unter: https://de.wikipedia.org/wiki/Brautkleid (abgerufen am 10.02.2021)
Geschichte der Brautmode, unter: http://www.retro-moden.de/index.php?id=geschichte_brautmode (abgerufen am 10.02.2021)
Katrin Indra: Hochzeitsfotografie damals und heute – eine Analyse der Darstellung des Brautpaares Anfang des 20. Und 21. Jahrhunderts in professionellen Hochzeitsfotografien. Universität Wien. 2009.Unter: http://othes.univie.ac.at/4417/1/2009-04-13_0204360.pdf (abgerufen am 11. Februar 2021)
Carola Jüllig, Deutsches Historisches Museum, Berlin, unter: https://www.dhm.de/lemo/kapitel/kaiserreich/alltagsleben/hochzeit.html (abgerufen am 10.02.2021)