Der Sommerfremdenverkehr entwickelte sich positiv, denn in den Sommermonaten kamen mehr und mehr Bürger aus den heißen Städten zur Abkühlung in die Tiroler Berge. Der Ausbau von Eisenbahnlinien und die damit verbundene einfachere Anreise spielte dabei eine wichtige Rolle. Im Kitzbüheler Boten vom 14. Juli 1907 hieß es dazu:
„Die Züge bringen tagtäglich Sommergäste in unser altes, aber von Naturschönheiten bevorzugtes Bergstädtchen. […] Weiters ist aus der Fremdenliste zu ersehen, dass Personen und Familien hohen Ranges, aus London, Paris, Wien, Graz usw. die aufblühende Fremdenstation Kitzbühel, die reine, ozonreiche, von keinem Fabriksrauch verpestete Luft aufzuweisen hat, zum Sommeraufenthalte auserkoren haben.“
Zu den Sommerattraktionen zählten zum Beispiel Gartenkonzerte und Sommerfeste. Der Volkstrachtenerhaltungsverein und der Musikverein veranstalteten im Juli 1907 einen Festzug. Ein Konzert der Stadtmusikkapelle und Schuhplattlertänze fanden ebenfalls statt. Könnte unser Fotograf bei dieser Veranstaltung anwesend gewesen sein? Das ist natürlich reine Spekulation, aber auf dem Bild sieht man tatsächlich einen Festzug und eine Musikkapelle.
(Am rechten Bildrand ist im Hintergrund die Villa Zurna (Hornweg 23) zu sehen. Sie steht heute unter Denkmalschutz)
Einer, der sich für die touristische Entwicklung Kitzbühels besonders einsetzte, war Franz Reisch (Bürgermeister von 1903 – 1913). Er erkannte die Bedeutung des Alpinismus und wollte die Bergwelt für die Gäste erschließen. Reisch baute beispielsweise 1900 den Hornweg auf das Kitzbüheler Horn aus, von dem wir ebenfalls ein Foto zeigen können (links). Weiters ließ er das Gipfelhaus am Kitzbüheler Horn errichten, initiierte den Bau des Grand Hotels (1902) sowie das Bad am Schwarzsee (rechts). Laut der Aufzeichnungen unseres Fotografen befand sich dort eine Schwimmschule.
Einen wichtigen Beitrag leistete auch der Verschönerungsverein, der sich etwa um die Pflege von Spazierwegen und die Errichtung von Rastbänken kümmerte. Einen solchen Weg und Platz sieht man auf der nächsten Fotografie. Bei genauerem Hinsehen erkennt man zwei Damen, die unter einem Sonnenschirm sitzend ein Landschaftsbild malen.
Der Fremdenverkehr war also zu einer wichtigen Einnahmequelle geworden und verhalf der Region zu einem wirtschaftlichen Aufschwung. Es entstanden Beherbergungsbetriebe und neue Berufe. Die Einheimischen waren nun als Skilehrer und Wanderführer tätig.
Reisch betrieb intensiv Werbung, setzte sich stark für die Verbreitung des Skisports ein und brachte den ersten Skiführer heraus („Schitouren um Kitzbühel“). Neben dem Semmering (siehe Blog Teil 12) hatte sich Kitzbühel zu einem der attraktivsten Wintersportorte entwickelt. Rodeln, Bobfahren, Eislaufen und Skifahren zählten zu den beliebtesten Sportarten und es wurde sogar Curling und Eishockey gespielt. 1908 wurde für den Rodel- und Bobsport eine eigene Bahn errichtet – und das führt uns zum nächsten Bild.
Auf der Hauswand kann man deutlich die Aufschrift „Mech. Werkstätte J. Cullek“ lesen. Im Mitteilungsblatt der Stadt Kitzbühel (Jahrgang 11/Nr. 10) konnte ich neben Fotos, die ebenfalls dort aufgenommen wurden, den folgenden Text finden:
„Der berühmte „Cullek-Bob“ vor der gleichnamigen Mechanikerwerkstätte in der Bichlstraße, mit Kindern besetzt. Schlossermeister Josef Cullek war in der großen Zeit des Kitzbüheler Bobsports zu Beginn des vorigen Jahrhunderts ein Begriff. Laut Bobpionier Julius Moro baute Josef Cullek „die besten Stahlbobsleighs des ganzen Kontinents“.“
Stellt man die beiden Fotografien nebeneinander und verfolgt den Verlauf der Mauer (gleiche Bauweise), so kann man annehmen, dass beide in der Bichlstraße aufgenommen wurden – das eine stadteinwärts und das andere stadtauswärts.
Über das markante Gebäude im linken Bild konnte ich leider keine verlässlichen Informationen herausfinden. Es existiert meines
Wissens heute in dieser Form nicht mehr. Dennoch habe ich versucht, die Schrift auf dem Schild (befindet sich unter dem S von Sammlung) zu entziffern, was nur in Ansätzen gelungen ist. In der
oberen Zeile könnte es sich um den Namen ‚Veider‘ handeln und daneben die Bezeichnung ‚Schmiedemeister‘, darunter ‚Reparaturen‘, ‚Maschinen und Geräte‘. Jedenfalls habe ich dann ein Sterbebild
einer „Rieger Anna verh. Veider Schmiedemeistersgattin in Kitzbühel“ (verstorben 1915) gefunden – ebenso die Erwähnung eines Johann Veider (geboren 1868), Schmiedemeister in Kitzbühel. Ob dies
reiner Zufall ist oder hier eine echte Verbindung besteht, kann ich leider nicht sagen.
Die Recherche für diesen Beitrag hat mich für Kitzbühel begeistert und vielleicht ergibt sich die Gelegenheit, einmal vor Ort mit einheimischen Historikern zu sprechen, die Bichlstraße entlang zu schlendern und das Kitzbüheler Horn zu besteigen.
Quellen:
Die Geschichte des Tiroler Tourismus, unter: https://www.tirolwerbung.at/tiroler-tourismus/geschichte-tiroler-tourismus/ (abgerufen am 24.11.2020)
Museum Kitzbühel, Geschichte, unter: http://www.museum-kitzbuehel.at/geschichte/ (abgerufen am 24.11.2020)
„Ein Blick zurück“, in: Stadt Kitzbühel. Mitteilungsblatt der Stadtverwaltung. Jahrgang 11/Nr.10, Oktober 2007, S. 8-9, unter: https://www.kitzanzeiger.at/Kitzbueheler-Anzeiger-Kitzbuehel_pid,52538,eid,80,type,ebook.html#page=1 (abgerufen am 02.12.2020)
Wirtenberger, H.: „Der Verschönerungsverein und die Sommerfrischler“ (Ein Blick zurück), in: Stadt Kitzbühel. Mitteilungsblatt der Stadtverwaltung. Jahrgang 22/Nr.7/8, Juli/August 2018, S. 8-9, unter: https://www.kitzanzeiger.at/Kitzbueheler-Anzeiger-Kitzbuehel_pid,52538,eid,178,type,ebook.html?doc=178_1533035340.pdf&page=12#page=8 (abgerufen am 01.12.2020)
Franz Reisch, unter https://de.wikipedia.org/wiki/Franz_Reisch (abgerufen am 01.12.2020)